Ein fragwürdiges Demokratieverständnis – Debatte um das landesweite Semesterticket auf der Sitzung des Studierendenparlaments vom 04.02.19

Ein Semesterticket das durchkommt und stabile Mehrheiten

Vorweg: Es gibt eine stabile Mehrheit für die Einführung des Semestertickets zu den ausgehandelten Konditionen. Sowohl die StuPa Mehrheit aus Campusgrünen und Juso HSG, welche den AStA stellen, als auch verschiedene Oppositionsfraktionen werden am Ende des Tages das Ticket durchstimmen (und damit auch dem Wunsch der Studierendenschaft aus der Befragung entsprechen). So weit so unspektakulär.

Wir als dielinke.SDS Hochschulgruppe betrachten die Konditionen des landesweiten Semestertickets als äußerst problematisch und werden dem vorliegenden Entwurf nicht zustimmen. Bei einer knappen Mehrheit der Studierendenbefragung für die Einführung des Tickets, sind wir überzeugt, dass es vertretbar ist die unterlegene Minderheit, die gute Gründe angeführt hat warum sie das Ticket so nicht wollen, auch im StuPa zu repräsentieren.

Unser Positionspapier warum wir uns gegen das Ticket positionieren findet ihr hier: https://sds-kiel.org/2019/01/05/semesterticket/

Es ist eben doch nur Parlamentarismus

Hochschulpolitik kann man grundsätzlich bereits ab dem Punkt in Frage stellen zu dem nur 15% der Studierenden das StuPa gewählt haben, deren einfache Mehrheit den AStA stellt, deren Vertreter wiederum die Konditionen des landesweiten Semestertickets ausgehandelt haben. Das ist jedoch nicht die Schuld einzelner Parlamentarier*innen oder AStA Vorsitzender – Das ist die grundlegende Schwäche der repräsentativen Demokratie, der man unserer Meinung nach nur mit direkter Mitbestimmung in möglichst vielen Bereichen entgegenwirken kann. Ein Ort um ständige Beteiligung, sowohl der Opposition als auch der Studierendenschaft, zu ermöglichen KÖNNTE das Studierendenparlament sein.

Doch dort wo es Meinungsverschiedenheiten gibt und kein Kompromiss erzielt werden kann, kann eine Mehrheit im Parlament durchregieren, ihre Anträge durchstimmen und alle anderen auch ohne Auseinandersetzung damit abschmettern. Der parlamentarische Prozess ist jedoch nur so viel Wert wie er Raum zur Meinungsäußerung und Diskussion der Opposition und Betroffenen lässt. Darum ist es in unserem StuPa eigentlich üblich eine umfassende Aussprache zu gewähren, Kompromisse zu suchen und Beteiligung zu ermöglichen – zumindest bis gestern.

Von HD Videos, Hochglanzflyern und Halbwahrheiten

Die Beteiligungsoffensive, die mit der Debatte um das Semesterticket eingeläutet wurde geriet schon früh ins straucheln.

Landespolitiker heizten die Debatte in der Presse an, bevor die Studierendenschaft überhaupt durch ihre Vertreter*innen informiert werden konnte.

Eine Werbeoffensive jagte die nächste, Hochglanz und HD Feelgood-Atmosphäre – Auf Sylt schwimmen und in Lübeck saufen – waren häufig wichtiger als Preisgestaltung und Sozialverträglichkeit.

Eine Infoveranstaltung und eine Podiumsdiskussion später blieben weiterhin Zweifel: Wie sahen die Ergebnisse der Studierendenbefragung zum Fahrverhalten im Detail aus?, Warum bekommen einige Verkehrsbetriebe unverhältnismäßig hohe Anteile des Ticketpreises?, Gibt es überhaupt richtigen Rabatt auf die ermittelten Fahrten und zahlen wir nicht sogar an manchen Stellen doppelt für Leistungen? Fragen, welche Parlamentarier*innen zwar teilweise beantwortet werden konnten, deren Datengrundlagen aber nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt seien.

Die Drohkullisse: „Wenn wir diesem Vertrag nicht so zustimmen, dann gibt es niemals ein Semesterticket“ wurde aufgebaut und sämtliche Fragezeichen zu Details der Preisgestaltung mit dem Verweis auf Geschäftsgeheimnisse der Verkehrsbetriebe abgewiegelt. Als dann doch erste Studierendenschaften im Land Zweifel anmeldeten und sich vom vorliegenden Entwurf distanzierten wurde schnell offensichtlich, dass an dieser Erzählung nicht viel dran sein konnte außer das Interesse der Verkehrsbetriebe an schnellstmöglicher Umsetzung.

Showdown – is this what democracy looks like?

Unter diesen Voraussetzungen wurde zu einer großangelegten öffentlichen Sitzung des Studierendenparlamentes geladen. Das Audimax wurde gebucht und die gesamte Studierendenschaft darüber informiert und nachdrücklich eingeladen vorbeizukommen und mitzudiskutieren.

Dass StuPa-Sitzungen eine eher unattraktive Abendgestaltung ist, sollte spätestens seit gestern kein Geheimnis mehr sein, trotzdem fanden sich dutzende Studierende mit Redebedarf im Hörsaal ein und harrten 5 Stunden Formalia und Härtefallsatzungsdebatte aus um am Ende des Tages ihre Anliegen zum Semesterticket vorzubringen.

Als schon bei der Vorstellung des Ergebnisses der Studierendenbefragung deutlich wurde, dass die Stimmung in der Zuhörer*innenschaft nicht so recht ins Bild der euphorischen Semesterticket-Dramaturgie passen wollte, wurden die ersten Parlamentarier*innen unruhig.

Als die berechtigte Frage im Raum stand ob sich die Parlamentarier*innen ausreichend informiert fühlten, um eine solch weitreichende Entscheidung zu treffen wurden alle Register gezogen. Die Mehrheit der Parlamentarierinnen aus Campusgrünen und einzelnen Anderen beschloss einen Antrag zur Geschäftsordnung, dass eine Debatte zum Semesterticket nicht stattfinden sollte und es sofort zur Abstimmung kommen müsse. Es hagelte Proteste aus der Zuschauerschaft, woraufhin dieselbe Mehrheit der Campusgrünen allen im Saal Anwesenden außer den Parlamentarier*innen das Wort entzog und damit jede Möglichkeit der Diskussion und Beteiligung begrub.

Wenn sich jemand gefragt hat wie Politikverdrossenheit entsteht, dann hat er*sie gestern ein Lehrstück gefunden.

Fassungslosigkeit sollte die nächsten Minuten bestimmen, bis die Zuhörer*innen herausfanden, dass sie durch das ständige stellen von Anträgen zur Geschäftsordnung den Ablauf des Parlamentes, bis zur Schließung der Sitzung, verzögern konnten. Die Beschlussfassung zum landesweiten Semesterticket wurde auf eine Sondersitzung vertagt.

So konnten die anwesenden Studierenden mit Diskussionsbedarf am Ende des Abends doch noch einen kleinen Sieg verbuchen – wenn auch nur einen Phyrrhussieg für die Demokratie.

Ist dielinke.SDS ausreichen informiert worüber sie abstimmen sollen?

Klares Jein. Uns liegen als Hochschulgruppe alle Unterlagen und Informationen vor, die Parlamentarier*innen benötigen um über das landesweite Semesterticket abzustimmen. Wer das Ticket einfach nur geil findet und am Ende des Monats noch Geld auf dem Konto hat kann beruhigt zustimmen. Der Vertrag ist fertig, konkret und wenig überraschend. Was uns fehlt ist jedoch nicht im Vertragswerk zu finden, nämlich eine Antwort auf die Frage ob das Verhandlungsergebnis gut für die Studierenden ist oder ob sich die Verkehrsbetriebe durchgesetzt haben und die Landespolitik uns an der Nase herumführt.

  • Warum gibt es keine Obergrenze für die Preisanpassung?
  • Warum wurde nicht mehr Druck auf die Landespolitik ausgeübt sich auch langfristig an der Finanzierung eines Tickets zu beteiligen?
  • Wie genau sehen die Daten der Fahrverhaltenbefragung aus auf deren Grundlage die Kosten kalkuliert wurden?
  • Warum konnten keine Mitnahmeregelungen o.ä., wie in anderen landesweiten Semestertickets verhandelt werden?
  • Warum wird ständig eine Drohkullisse mit Fristen und Bedingungen aufgebaut, die sich später dann doch immer als unbedeutend herausstellen?

Ohne diese Informationen ist der Preis für das Semesterticket für uns nur eine aufwändig beworbene Zahl. Ein Preis, der so hoch ist, dass er Studierende mit wenig finanziellen Mitteln in ihrer Existenz bedroht und die Aufnahme eines Studiums weiter zu einer Frage des Geldbeutels zuspitzt.

Für weitere Fragen stehen unsere StuPa Mitglieder und Vorsitzenden euch allen zur Verfügung.

Unser Positionspapier warum wir uns gegen das Ticket positionieren findet ihr hier: https://sds-kiel.org/2019/01/05/semesterticket/

One thought on “Ein fragwürdiges Demokratieverständnis – Debatte um das landesweite Semesterticket auf der Sitzung des Studierendenparlaments vom 04.02.19

  1. Um was geht’s hier eigentlich wirklich? Meine Tochter kommt über den 2. Bildungsweg und muss täglich von Eutin nach Kiel. Es kostet sie einen Gutteil ihres Bafögs. Wenn ich könnte würde ich das Ticket gern bezahlen.
    54% der Studierenden haben sich für das Ticket entschieden. Der Prozess bis hier wird kritisiert. Aber rechtfertigt das, dass z. B. Meine Tochter vielleicht ihr Studium aufgeben muss?
    D. Reese

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